Die Folgen des Bosman-Urteils für den Fußball
Das Bosman-Urteil (auch “Bosman-Entscheidung”) ist das wichtigste und bekannteste höchstrichterliche Urteil mit Bezug zum Fußball. Allerdings nicht nur das. Der Tenor des Urteils hatte auch über den Fußball hinaus weitreichende Konsequenzen, was es zu einem der international meistzitierten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) macht. Das Urteil erging bereits im Dezember 1995 und hat bis heute enorme Auswirkungen auf das Fußballgeschäft. Insbesondere betrifft dies den Bereich der Transfers und Spielergehälter. Wir erklären euch – in der gewohnten Kürze – was es mit der Bosman-Entscheidung des EuGH auf sich hat und welche rechtliche und tatsächliche Auswirkungen es auf den Fußball hatte und hat.
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Wer oder was ist “Bosman”?
Jean-Marc Bosman ist ein ehemaliger belgischer Fußballer, der im Jahr 1990 gegen seinen damaligen Verein, den RFC Lüttich aus der ersten belgischen Liga, Klage erhob. Hintergrund der Klage war ein Streit mit der Vereinsführung über das Gehalt, in dessen Folge Bosman zu einem französischen Zweitligisten wechseln wollte. Die Vereinsführung des RFC Lüttich setzte die Ablösesumme für Bosman jedoch bewusst so hoch fest, dass der französische Verein die Ablöse nicht bezahlen konnte.
In der Folge weigerte sich der RFC Lüttich, Jean-Marc Bosman die Freigabe für einen Wechsel zu erteilen. Der Fußballprofi klagte daraufhin gegen Lüttich (und den belgischen Fußballverband) auf Schadensersatz. Diese Klage begründete den Rechtsstreit, der es letztlich bis vor den EuGH schaffte. Im nächsten Abschnitt werden wir euch hierzu ergangene wegweisende Entscheidung des EuGH näher erklären.
Inhalt des Urteils des EuGH
Der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1995 klar, dass nach den gesetzlichen Regelungen der Europäischen Union auch Profifußballer als Arbeitnehmer gelten. In der Folge sei auch das in der EU garantierte Recht auf Freizügigkeit anwendbar. Das Recht auf Freizügigkeit meint das Recht, seinen Arbeits- und Wohnort innerhalb der Mitgliedsländer der EU frei zu wählen. Dieses Recht stand von nun an auch allen Profifußballern offen.
In der Konsequenz der vom EuGH nun auch auf Profifußballer anzuwendenden Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit verbot er die Zahlung von Ablösesummen nach Vertragsende. Zudem wurden vom EuGH auch die in mehreren europäischen Ligen (auch der Bundesliga!) geltenden Regelungen, nach denen nur eine begrenzte Zahl von Ausländern pro Mannschaft eingesetzt werden durfte, für ungültig erklärt.
Tipp: Interessante, tagesaktuelle gerichtliche Entscheidungen werden hier mit rechtlichen Hintergründen dargestellt.
Folgen der Bosman-Entscheidung im Fußballgeschäft
Wie ihr euch vielleicht schon denken könnt, waren die Folgen des Verbots der Zahlung von Ablösesummen nach Vertragsende sowie die Aufhebung der Beschränkung der Anzahl ausländischer Spieler pro Mannschaft im gesamten europäischen Fußball gravierend. Die Transferpraxis wie sie bis dahin gehandhabt wurde, war Geschichte.
Üblich war es nämlich, dass der aufnehmende Verein den abgebenden Verein eines Spielers nach Ablauf dessen Vertrages finanziell entschädigte. Dass diese Praxis nun nicht mehr möglich war, stärkte die Verhandlungsposition der Spieler gegenüber ihren Vereinen enorm. Anstatt dass ein Verein seinem Spieler diktieren konnte, wann und zu welchem Preis er wohin wechselt, waren die Spieler nun in ihrer Entscheidung ziemlich frei. Die Klubs dagegen mussten schauen, wie sie ihre Spieler irgendwie langfristig binden konnten, um noch Entschädigungen in Form von Ablösesummen zu kassieren.
Die gestärkte Verhandlungsposition der Spieler schlug sich in deutlich höheren Gehältern, Prämien und Handgeldern nieder. Freilich verdienen Klubs durch die langfristige vertragliche Bindung vieler Spieler auch heute noch Geld mit Ablösesummen. Allerdings geben sie einen Großteil ihres Etats für sehr gut verdienende Spieler und deren Berater aus. Das Bosman-Urteil hat diesen Weg im Jahr 1995 geebnet.
Tipp: Die Auswirkungen des Bosman-Urteils werden in diesem Beitrag auch lesenswert beschrieben.
Fazit zu den Folgen des Bosman-Urteils
Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete das Bosman-Urteil einst als “die schlimmste Katastrophe, die der Klubfußball je erlebt hat”. Auch angesichts aktueller Debatten über die Super League wird einem bewusst, welche enormen Auswirkungen einzelne Entscheidungen für eine Branche in ganz Europa haben können. Grundsätzlich war das Urteil es EuGH im Sinne der Stärkung der Arbeitnehmerrechte und der Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht jedoch richtig und wichtig.
Trotz des Urteils hätte sich 1995 allerdings wohl kaum jemand träumen lassen, dass es 25 Jahre später Ablösesummen von in der Spitze bis zu 222 Millionen und Jahresgehälter bis zu 100 Millionen geben würde. Diese Entwicklung war natürlich keinesfalls zwingend, auch wenn die Bosman-Entscheidung den Grundstein hierfür gelegt hat. Vielmehr fehlt es schlicht an einem Korrektiv wie der Deckelung von Spieler- und Beratergehältern. Ein solches Korrektiv verbietet das EuGH-Urteil keineswegs.
Zum Abschluss dürft ihr raten, wer vom Bosman-Urteil am wenigsten profitiert hat? Richtig, Jean-Marc Bosman. Nachdem ihn nach seinem “juristischen Kampf” kein Verein mehr unter Vertrag nehmen wollte, beendete er seine Karriere 1996 vorzeitig. Der Mann, der indirekt dazu beigetragen hat, dass tausende Fußball europaweit Millionen verdien(t)en, lebt heute verarmt und von Sozialhilfe.
Weitere Quellen:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:61993CJ0415&from=NL.
https://www.kicker.de/heute-vor-25-jahren-das-bosman-urteil-stellt-den-fussball-auf-den-kopf-792350/artikel.
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