Torsten Mattuschka ("Tusche") im Interview
Torsten Mattuschka, genannt „Tusche“, gilt als Legende des Berliner Fußballs. Der 38-Jährige spielte von 2005 bis 2014 bei Union Berlin, war dort unumstrittener Publikumsliebling und von 2010 bis 2014 auch Kapitän der „Eisernen“. Die Zuneigung der Union-Fans war dabei so groß, dass sie ihm sogar ein eigenes Lied widmeten. Selbst Weltmeister Christoph Kramer antwortete 2014 in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ auf die Frage nach seinem Lieblingsspieler: „Torsten Mattuschka“.
Für transferiva traf Maximilian Mehls Torsten Mattuschka Ende 2018 in Berlin zum Interview. Darin verrät euch der geborene Cottbusser unter anderem, wie er es als „Quereinsteiger“ nach ganz oben geschafft hat und was er jetzt nach seiner Fußballerkarriere macht.
Hallo Tusche, du hast geschafft, wovon viele träumen: Du bist Fußball-Profi geworden. Wenn es einen Tipp gibt, den du Jungs und Mädchen mit auf den Weg geben würdest, um im Fußball erfolgreich zu sein – wie würde er lauten?
Auf jeden Fall an sich selbst zu glauben. Egal wie es läuft, es läuft nicht immer nur gut. Vor allem wenn der Trainer mal nicht auf einen baut, muss man sich auf seine eigenen Stärken besinnen und weiterhin hart und diszipliniert an den Schwächen arbeiten.
Meine Karriere verlief eh ein wenig anders im Vergleich zu anderen. Ich war mehr der Quereinsteiger, aber der Glaube daran es zu schaffen war immer da, und die Chance, die ich bekommen hatte, wollte ich unbedingt nutzen. Wenn man sich dann für den Weg zum Fußballprofi entscheidet, geht das nur über viel Disziplin. Man muss im Stande sein, zu vielen Dingen auch „Nein“ sagen zu können, beispielsweise wenn deine Kumpels mit 16, 17 Jahren Party machen gehen wollen. Wichtig ist, sich auf die Sache zu konzentrieren für die man kämpft und die Nebengeräusche auszublenden.
Inwieweit hat sich die Ausbildung seit deiner Jugendzeit verändert und denkst du, dass eine Karriere wie deine heutzutage immer noch denkbar wäre?
Die Veränderungen zu früher sind sehr krass. Es wird viel zeitiger auf diesem hohen Leistungsniveau gearbeitet, wodurch heute auch viel, viel mehr Spieler durchs Raster fallen als früher. Wenn du beispielsweise mit 12 Jahren der Beste deiner Mannschaft bist, aber mit 14 Jahren im körperlichen Bereich stagnierst, während die anderen schneller wachsen, gehst du heutzutage viel schneller unter.
Ich glaube, dass eine Karriere wie meine heutzutage so nicht mehr zustande kommen würde. So wie ich damals bei Ede Geyer mit 97kg, Glatze und Piercing im Auge ankam, würde mich heutzutage wohl jeder wieder nach Hause schicken. Ich glaube, ich habe da einfach nochmal Glück gehabt. 10 Jahre später hätte das so schon nicht mehr funktioniert.
Ansonsten spielt vor allem der Kopf in jungen Jahren eine immens wichtige Rolle. Die jungen Leute gehen neben der Schule sieben bis acht Mal die Woche zum Training und sind am Wochenende durch Spiele eingespannt. Gerade bei diesem riesen Pensum bleiben auch viele auf der Strecke.
Torsten Mattuschka über seine Torquote im Amateurfußball:
„Ich habe damals in der 7. Liga in 100 Spielen 100 Tore geschossen.“
Wie war für dich das Gefühl, als du 2002 gegen den HSV in der 86. Minute deine ersten Bundesliga-Minuten sammeln konntest?
Wahnsinn! Ein Moment, den ich nie vergessen werde in meinem Leben. Ich hatte zuvor noch in der siebten Liga auf dem Dorf gespielt und dann knapp ein Jahr später in der Bundesliga auflaufen zu dürfen, ist das, wovon man immer geträumt hat. Als dann meine Zahl hochgehalten wurde und feststand, dass ich reinkomme, war es einfach unbeschreiblich und ich war sehr aufgeregt. Das war schließlich der Moment, wo man merkt, dass es hat sich gelohnt hat, ein dreiviertel Jahr hart dafür zu arbeiten und auf vieles zu verzichten. Dieses Gefühl wollte ich nie wieder missen und hab alles dafür gegeben, dass ich so lange wie möglich dabeibleiben konnte, um jedes Wochenende vor 20-bis 30.000 Zuschauern zu spielen.
Deine Zeit beim 1.FC Union Berlin war wohl die erfolgreichste deiner Karriere mit den Aufstiegen bis in die 2. Bundesliga, der Stadtmeisterschaft im Derby gegen Hertha und gar einem eigenen Song – was war für dich der bewegendste Moment deiner Karriere?
Ich war ja fast zehn Jahre bei Union und da gab es so viele geile Momente, die ich erleben durfte. Besonders das Abschiedsspiel von Karim Benyamina und mir im letzten Jahr, das 8:0 gegen den BFC, das Stadtderby mit dem 2:1 Siegtreffer von mir per Freistoß vor 76.000 Zuschauern, mein Song! Jedes Mal wieder Gänsehaut pur, wenn 20.000 Fans dein Lied singen! Da merkt man dann, dass man in den Jahren zuvor vieles richtig gemacht hat. Meine Freistöße und Tore, die ich gemacht habe, gucke ich mir noch immer auf YouTube an und das sind auch immer wieder Gänsehautmomente für mich. Dazu die ganzen Aufstiege. Ich bin einfach froh, dass ich das alles und vor allem für so eine lange Zeit erleben durfte.
Inwieweit kann eine Plattform wie transferiva gerade im Amateurfußball dabei helfen, auch den Schritt zu größeren Vereinen zu ermöglichen? Hätte sie rückblickend auch für dich nützlich sein können?
Ich habe damals in der 7. Liga in 100 Spielen 100 Tore geschossen. Hätte ich die Tore nicht gemacht und nicht jede Woche in der Zeitung gestanden, hätte ich die Chance wohl auch nicht bekommen.
Heutzutage werden die ganzen sozialen Netzwerke und gerade solche Plattformen sowieso krasser genutzt. Vor allem „kleinere“ Vereine aus der 3. Liga und Regionalliga, die durch so eine Plattform da auch mal hingucken können wenn ein Spieler in 100 Spielen 100 Tore schießt, gewinnen so den Einblick auch in die unteren Ligen. Vereine können gezielt nach Spielern suchen, die bis zum Alter von 14-15 eine gute Ausbildung bei einem gutem Verein genossen haben, sich dann vielleicht für einen anderen Weg entschieden haben und jetzt gerade durch so eine Plattform die Chance bekommen können, sich nochmal für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Torsten Mattuschka über Rituale auf und neben dem Platz:
„Ich hatte da so meine eigenen Macken.“
Wer waren für dich rückblickend wichtige Bezugspersonen zu denen du aufgeschaut hast bzw. die dir auch in schwierigen Zeiten halfen?
Natürlich vor allem meine Familie! Meine Mutter, meine Schwester, meine Kumpels, die besonders für Kritik und Ratschläge immer zur Seite standen. Dann natürlich meine Frau, die ich 2009 kennengelernt habe. Sie stand immer hinter mir, auch wenn sie oft zurückstecken musste, weil man viel unterwegs ist. Aber Rückendeckung, gerade von zu Hause, ist für jeden extrem wichtig. Ohne meine Frau wäre ich wohl nicht so weit gekommen.
Genauso wichtig ist ein Trainer, der einem vertraut. Den hatte ich dann bei Union mit Uwe Neuhaus, der von Anfang an auf mich gebaut hat, der Bock auf mich hatte und mir vertraut hat. Und ich glaube, das haben wir uns in den Jahren dann gegenseitig zurückgezahlt.
Wichtig ist vor allem, dass man weiß, wen man in welcher Angelegenheit fragen kann. Ich hatte zudem das Glück, dass ich viel mit mir selbst ausmachen konnte, was aber nicht jeder kann.
Heutzutage gibt es für so etwas auch noch Sportpsychologen, die in schwierigen Situationen helfen können, gerade wenn man sich der Familie und Freunden noch nicht öffnen kann.
Nach deiner aktiven Laufbahn bist du jetzt in Altglienicke als Trainer tätig – was waren deine ersten Eindrücke von dem neuen Job an der Seitenlinie?
Ich hätte nie gedacht, dass dieses Geschäft so anstrengend ist vom Kopf her. Du hast die ganze Woche das Training, überlegst die ganze Woche, wen und wie du spielen lässt. Dann die Ansprache vor dem Spiel und in der Halbzeitpause. In die Köpfe der Spieler zu kommen und Dinge anzusprechen, die weniger gut liefen in den ersten 45 Minuten; an der Seitenlinie während des Spiels Einfluss von außen zu nehmen, wenn ich Sachen erkenne, das ist alles mental sehr anstrengend, was ich vorher nie gedacht hätte. Aber das macht echt Bock! Andreas Zimmermann und ich versuchen natürlich so viel wie möglich an die Jungs weiterzugeben, da wir beide ja auch selber etwas höher Fußball gespielt haben. Klar juckt es noch manchmal selber mitspielen zu wollen, aber auch das Gefühl, wenn man den Jungs einen Tipp gibt und der dann auch noch so funktioniert, macht riesig Laune.
Was sind deine angestrebten Ziele in den nächsten Jahren sowohl mit der VSG Altglienicke als auch anderweitig?
Der Klassenerhalt mit der VSG. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt der Saison sieben, acht Punkte mehr eingeplant und arbeiten jetzt natürlich weiter hart daran, zurück ins Soll zu kommen.
Ich persönlich will auf jeden Fall meinen A-Schein machen und dann mal schauen, ob später der Schritt zum Fußballlehrer noch folgt. Aber erst mal muss ich ja auch meine Erfahrungen noch sammeln. Man ist ja nicht gleich ein guter Trainer, nur weil man mal ein paar Jahre lang Fußball gespielt hat.
Aber auf jeden Fall erst einmal mit dem A-Schein arbeiten und der Rest folgt dann Schritt für Schritt, da ich den Jungs ja auch was wiedergeben will.
Gibt es irgendein besonderes Schuhwerk oder gar ein Ritual auf das du zu deiner aktiven Zeit immer geschwört hast?
Mein persönliches Ritual war, dass ich immer als letzter aus der Kabine gegangen bin und als ich kein Kapitän war, auch als letzter aufs Spielfeld aufgelaufen bin. Und ich habe den Rasen immer zuerst mit dem linken Bein betreten.
Ich für mich habe auch immer nur schwarze Schuhe getragen, weil ich kein Fan von den ganzen bunten Schuhen bin und das auch nie wollte, aber das muss jeder für sich selbst wissen. Ich hatte da so meine eigenen Macken.
Vielen Dank, „Tusche“, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast! Wir werden deine neue Laufbahn als Trainer aufmerksam verfolgen und wünschen dir hierfür alles Gute! Wir sind uns sicher, dass auch du auf transferiva fündig werden wirst, falls du mal auf der Suche nach geeigneten Spielern für bestimmte Positionen sein solltest.
Neben diesem Interview mit Torsten Mattuschka findet ihr in unserem Blog weitere Interviews mit Top-Spielern, die von ihrer Karriere erzählen und von Höhen und Tiefen berichten - und die alle wichtige Tipps parat haben, worauf es ankommt, wenn man Fußball-Profi werden möchte. Schaut gerne bei den anderen Beiträgen rein!
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